Zoodirektor Dr. Matthias Reinschmidt zieht einen jungen Hyazinth-Ara von Hand auf. Foto: Timo Deible/Zoo Karlsruhe
14.05.2025
Zoodirektor zieht Hyazinth-Ara-Küken von Hand auf
Bedrohte Papageienart: Weniger als 5.000 Tiere in der Natur
Der Karlsruher Zoodirektor Dr. Matthias Reinschmidt gilt als einer der renommiertesten Papageienexperten. Ein besonderes Händchen hat er auch für die Aufzucht von Papageien, die nicht von den Elterntieren versorgt werden. Hunderte Vögel hat er so bereits versorgt. Aktuell ist er wieder Ziehvater. Aus den 26 Gramm Schlupfgewicht soll einmal ein etwa 1,5 Kilogramm schwerer Hyazinth-Ara werden, die größte flugfähige Papageienart der Welt.
Geschlüpft ist der kleine Ara am vergangenen Sonntag im Tiergarten Nürnberg. Dort lebt ein Pärchen dieser beeindruckenden Art, das jedes Jahr für Nachwuchs sorgt. Normalerweise legen Hyazinth-Aras zwei Eier. Falls daraus jeweils ein Küken schlüpft, können diese von den Eltern aufgezogen werden. Wird jedoch ein drittes Ei gelegt und aus allen Eiern schlüpft jeweils ein Jungvogel, hat das dritte Tier das Nachsehen.
„Ein drittes Ei ist in der Natur immer nur als Reserve vorgesehen. Und so hart uns Menschen das erscheinen mag, es werden einfach nur die zuerst geschlüpften Küken versorgt. In einem Zoo muss man sich dann entscheiden, ob der Natur ihr Lauf gelassen wird, oder ob der Jungvogel von Hand aufgezogen wird“, erläutert Reinschmidt. Da er bereits zwei Hyazinth-Aras aus Nürnberg im Zoo Karlsruhe aufgezogen hat – die zu großer Bekanntheit als Henry und Indigo gelangt sind –, hat der Papageienexperte auch diesmal zugesagt, das Küken zu übernehmen.
Für den Zoodirektor bedeutet dies, in der ersten Phase alle zwei Stunden zu füttern. Mit einer Spritze wird der Nahrungsbrei in den Schnabel gegeben und in den Kropf abgeschluckt. Von dort geht dann automatisch immer wieder ein Teil der Nahrung weiter in die Verdauung, bis der Kropf nach rund zwei Stunden leer ist und wieder von Menschenhand nachgefüttert werden muss.
Küken wird auch nachts alle zwei Stunden gefüttert
„Das Küken nehme ich jeden Tag mit auf die Arbeit und abends wieder mit nachhause. Es ist immer in einer Wärmebox mit 36 Grad untergebracht, da es die Temperatur noch nicht selbst halten kann. Das regelmäßige Füttern ist ein großer Aufwand, vor allem nachts sehr anstrengend, weil man ständig den eigenen Schlaf unterbrechen muss. Trotzdem lohnt es sich“, betont Reinschmidt. Außerdem habe er in seinem Team immer sehr gute und professionelle Unterstützung, wenn er selbst einmal nicht könne.
Wie alle Großpapageien sind auch die Hyazinth-Aras stark bedroht. Die Weltnaturschutzunion IUCN führt auf der Roten Liste die Art als „gefährdet“ ein. Weniger als 5.000 Tiere soll es in der Natur noch geben, dabei sind die Bestände nach Schätzung der IUCN rückläufig. Massiver Lebensraumverlust und illegaler Fang setzen der Art zu. Im Europäischen Zooverband EAZA gibt es für Hyazinth-Aras ein Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das im Zoo Zürich geführt wird.
„Für uns sind diese Tiere Botschafter ihrer Artgenossen in der Natur. Auch dort unterstützen wir über die Artenschutzstiftung ein Projekt im bolivianischen Pantanal. Finanziert wird das unter anderem durch den Freiwilligen Artenschutz-Euro beim Eintritt in den Zoologischen Stadtgarten“, berichtet Reinschmidt: „So verbinden wir den Artenschutz im Zoo mit dem Artenschutz im eigentlichen Lebensraum.“
Bis das kleine Küken sein Höchstgewicht erreicht, werden 100 Tage vergehen. „Von Hand gefüttert werden sie aber gut ein Jahr. Und die Geschlechtsreife erreichen sie erst mit fünf bis sechs Jahren“, erklärt der Zoodirektor. Möglichst bald soll das Jungtier an die beiden bereits im Zoo lebenden Artgenossen herangeführt werden. Reinschmidt ist wichtig, dass die Sozialisation mit Papageien gut klappt und dass keine Fehlprägung auf den Menschen erfolgt. „Mit seinen beiden Geschwistern Henry und Indigo, die aus demselben Grund von mir aufgezogen worden sind, wird das gut klappen.“